Rezension von Sich Prügeln: „Jede Geschichte öffnet ein Fenster“

Christine Wehner hat „Sich Prügeln“ schon gelesen und hier auf Facebook dazu geschrieben:

Prügeln hat keinen guten Ruf. Es wird in der Regel nicht mit etwas Inspirierendem verbunden, eher mit Fantasielosigkeit und Enge. Aus dem Schlag entsteht selten etwas Neues. 
So könnte es sein. 
In „Sich Prügeln“ erzählt Houssam Hamade die Geschichten von 18 Menschen, die in ihrem Leben gewaltvolle Situationen erlebt haben. Die meisten enden mit physischen Kämpfen, die wenigen anderen schlittern nur knapp an ihnen vorbei. Grundlage der Geschichten sind Interviews mit Freund*innen, Bekannten und „Weiterempfohlenen“, die mit Hamade darüber gesprochen haben, wie es bei ihnen zum sogenannten „Klick-Moment“ kam.
Wenn Lena beschreibt, wie sie die eigene Mutter in ähnlicher Weise zusammenschlägt wie diese sie früher geschlagen hat oder der Skinhead Gese davon berichtet, wie ihn die Rache der verfeindeten Punks mit „harte(n) Schläge(n) – überall hin“ trifft , wird das Lesen fast unerträglich.

Gleichzeitig wüsste man gern, welche Fragen Hamade seinen Gesprächspartner*innen gestellt hat, um sie so präzise erzählen zu lassen.
In jeder Geschichte öffnet sich ein Fenster in eine private und von innerer Logik geprägten Lebenswelt. Mal gehört Gewalt von Kindheit an zu dieser Logik, andere scheinen noch beim Erzählen erschrocken über den Moment, in dem sie selbst zuschlugen. Jede dieser Geschichten ist von großer Ehrlichkeit und einem genauen Blick auf sich selbst geprägt. So stehen sie nebeneinander, ohne äußere Bewertung. Ganz im Gegenteil, denn zwischen jeder Story stellt der Autor eine Prügeltechnik vor und wägt dabei ihre Einsatzmöglichkeiten ab – wie als sachliche Nebenbemerkung und dabei nicht selten von fast absurder Komik.
Zudem erhält das Buch Zeichnungen von Marie Petri, die Schlüsselmomente einzelner Geschichten einfangen und sie damit umso mehr ins Gedächtnis der Leser*innen eingraben.In keiner dieser Geschichten wird Prügeln zu etwas Schönem. Und doch wächst der Respekt für diese 18 Menschen, die rückblickend mit Herz und Kopf auf ihre Fäuste schauen.

 

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